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Kritik – "Die lustigen Weiber von Windsor" in München Leider Biedermeier

Der früh verstorbene Komponist Otto Nicolai erlebte den sagenhaften Erfolg seiner 1849 uraufgeführten Komödie nicht mehr. Inzwischen mutet die Biedermeier-Spieloper ausgesprochen schwergängig an. Leider auch in der Inszenierung von Brigitte Fassbaender am Gärtnerplatztheater.

Otto Nicolais komisch-fantastische Oper "Die lustigen Weiber von Windsor" am Gärtnerplatztheater in München. | Bildquelle: © Marie-Laure Briane

Bildquelle: © Marie-Laure Briane

Ja klar, der Titel dieser "komisch-fantastischen" Oper geht heute gar nicht mehr: Wer spricht heutzutage noch ungestraft von "Weibern"? Eine dermaßen erfahrene Regisseurin wie Brigitte Fassbaender, inzwischen 84, macht das natürlich in ihrer Inszenierung am Münchner Gärtnerplatztheater zum Thema und so lernt der versoffene Sir John Falstaff bei ihr, Frauen auch als solche zu bezeichnen und sich anständig aufzuführen. "MeToo", grummelt der Kerl zum Schluss und fügt sich in sein Schicksal. Verwahrlost ist er in diesem Fall übrigens nicht, sondern ein durchaus manierlicher älterer weißer Mann, der ganz und gar nicht übergriffig wirkt, eher schon gelangweilt vom Leben, als ob er sich aufraffen muss, noch mal den Macho zu geben.

Der Funke springt nicht über

Solche Biedermeier-Spielopern sind auch musikalisch dermaßen weit weg von unserer Gegenwart, dass sie verständlicher Weise selten aufgeführt werden: Der damalige Humor muss künstlich beatmet werden, die Texte werden regelmäßig gestrichen oder umformuliert. Auch Brigitte Fassbaender und ihr Dramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz haben die gesprochenen Dialoge beherzt gekürzt. Gleichwohl springt der Funke zumindest vor der Pause nicht so recht über, trotz einer anspielungsreichen Ausstattung von Dietrich von Grebmer und einiger aktueller Gags.

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Brigitte Fassbaender im Gespräch über "Die lustigen Weiber von Windsor"- Hier geht's zum Artikel!

So gedeihen bei der spießigen Familie Flute drei Cannabis-Pflanzen, wie es neuerdings völlig legal ist, und die Haushälterin rollt den Teppichvorleger so geschickt zusammen, dass prompt ein Riesen-Joint entsteht. Leicht sediert ist das Biedermeier vermutlich leichter auszuhalten. Brigitte Fassbaender hält sich auch gar nicht lang mit einer Gesellschaftskritik der Uraufführungs-Zeit um 1849 auf, als immerhin eine Revolution tobte, sondern versetzt die Handlung ins Zeitalter von Shakespeare. Eine spanische Halskrause, wie sie in der Renaissance schwer in Mode war, hat das Bühnenbild inspiriert: Ein begehbares Zickzack-Möbelstück mit putzigen Perlen an den Spitzen.

Auch das solide Ensemble rettet diese Oper nicht

Märchenhaft poetisch ist die Waldszene zum Finale, die von einem Shakespeare-Porträt beschienen wird ein strahlender Dichterkopf wie der Vollmond und lauter silbern-schimmernde Elfen, die aus unserer Welt der Kulturkämpfe weit hinausgeflattert sind ins Firmament der Fantasie. Ein versöhnlich-opulenter Schluss, der auch eifrig beklatscht wurde. Dirigent Rubén Dubrovsky tat sein Bestes, die etwas eintönige Partitur zu vitalisieren, doch nach Jacques Offenbach klingt das leider nur wenige Momente.

Solisten und Chor geben sich redlich Mühe, eine gewisse Ausgelassenheit vorzuführen: Jennifer O'Loughlin ist eine muntere Frau Fluth, Anna-Katharina Tonauer eine gewitzte Frau Reich. Levente Páll als Falstaff hat so gar nichts Animalisches an sich, wie in anderen Inszenierungen, sondern ist auch stimmlich ein liebenswerter, sehr gepflegter Tollpatsch zum Knuddeln. Gyula Rab sorgt als verliebter Fenton für den nötigen tenoralen Schmelz, Angelika Seldmeier darf als stumme Aufwärterin komödiantische Akzente setzen. Insgesamt wirkt der knapp dreistündige Abend dennoch zu lang: Auf dem Spielplan hat diese einst hoch populäre Oper wirklich nicht gefehlt.

Sendung: "Piazza" ab 9:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (6)

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Montag, 29.April, 13:47 Uhr

Neuhauser

Kritiker nicht ernst nehmen sondern bemitleiden

@Etiana
Ich habe mich auch schon des öfteren über die Kritiken gewundert und machmal sogar geärgert, wenn sie auch noch persönlich diffamierend waren. Mittlerweile habe ich für mich eine Erklärung gefunden. Ich glaube ein Kritiker ist leider selber nicht mehr in der Lage eine Aufführung zu genießen und die Emotionen auf sich wirken zu lassen. Der Kritiker sucht den Hacken, den falschen Ton, vergleicht mit vermeintlich Besseren…. Wer sich Aufführungen ansehen MUSS weil später etwas darüber geschrieben werden muss kann den eigentlichen Sinn der Oper leider nicht mehr erfassen. Und so kommt es, dass auch gute Aufführungen und bzw. gute Interpreten immer auch bemängelt werden.

Sonntag, 28.April, 22:37 Uhr

Etiana

Die lustigen Weiber von Windsor

Ich war heute in der Aufführung und muss gestehen, dass ich die Kritik von Herrn Jungblut nicht nachvollziehen kann. Das Ensemble war hochmotiviert, die Inszenierung von Brigitte Fassbender witzig und mit Augenzwinkern, die Musik ist freilich schön und schmissig, und das Publikum war sehr begeistert.

Könnte es sein, dass Herr Jungblut einfach mal wieder einen Verriss hat raushauen müssen, um selbst interessant zu bleiben?

Sonntag, 28.April, 20:30 Uhr

Silvio Heil

Lustige Weiber

Diese Kritik ist genauso dumm, wie wahrscheinlich diese Inszenierung.
Am Stück lliegt es ganz sicher!! nicht...

Sonntag, 28.April, 17:09 Uhr

Michael Koling

"Die lustigen Weiber" im Gärtnerplatztheater

Wenn ich diese Kritik lese, dann frage ich mich, ob ich am Freitag am Abend wirklich in der vom Kritiker beschriebernen Aufführung war. Ich empfand es durchaus erfreulich, dass diese Spieloper nicht mit Zwang modernisiert und der Text nur vorsichtig angepasst worden ist (ganz im Gegensatz zu den meisten Inszenierungen eines vergleichbaren Hauses in Wien). Und auch die musikalische Seite empfand ich als durchaus positiv bis ausgezeichnet (wenn ich den aktuellen Chefdirigenten mit den Dirigaten sweines Vorgängers vergleiche, fällt es mir nicht schwer, wem ich symbolisch die Orange und wem ich die Zitrone überreichen würde). Dem Jubel des Premierenpublikums nach zu schließen, bin ich mit meiner Meinung kein Einzelfall. Aber de gustibus ....
beste Grüße von einem aus Wien angereisten Besucher
Michael Koling

Sonntag, 28.April, 10:03 Uhr

Manfred Schlösser

Die lustigen Weiber von Windsor

Man merkt dem Rezensenten nur allzu deutlich an, dass ihm diese Oper grundsätzlich nicht gefällt.

Mit freundlichem Gruß

Manfred Schlösser

Samstag, 27.April, 13:57 Uhr

Rolf Ruhf

„Lustige Weiber“ Premiere

ohne einen entsprechenden Falstaff kann diese leider ältliche „Lust-
Spieloper“ sowieso nicht funktionieren . Und unter der hilflosen, fast peinlichen „Regie“ von Frau Fassbaender schon garnicht!

S C H A D E !

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